Das Thema des «Bindens» und «Lösens» habe ich in meiner Vortragsreihe über das Matthäusevangelium behandelt. Wenn Sie dort den Beitrag über Matthäus 16 anhören, werden Sie ab 1:35:27 die Ausführungen über Vers 19 finden.
Die Ausdrücke «binden» und «lösen» sind im Hebräischen Ausdrücke, die im jüdisch-rabbinischen Denken wichtige Begriffe des Rechtswesens waren. Das hebräische Wort für «gebunden» (asur) ist noch im heutigen modernen Hebräisch der Ausdruck für «verboten», während der Begriff «gelöst» (muthar) bis heute der normale Ausdruck für «erlaubt» ist.
In der Sprache der alten Rabbiner bedeutete das in legislativer (gesetzgebender) Hinsicht, dass man durch rabbinische Festlegung bestimmte Dinge oder Handlungen entweder erlaubte – da wurde der Begriff «lösen» verwendet – oder untersagte – das wurde mit dem Wort «binden» bezeichnet. In der Judikative (in der Rechtsprechung) wurde mit dem Begriff «binden» das Bestrafen bezeichnet. Wenn man eine Person von der Strafe freisetzte bzw. die Strafe aufhob, hat man ihn «gelöst».
Diese Autorität bekam in Matthäus 16,19 der Apostel Petrus vom Herrn zugesprochen. Diese apostolische Autorität wendete er in Apostelgeschichte 5 in dem Fall von Ananias und Sapphira an. Beide sind darauf gestorben. Da band Petrus gewissermaßen ihre Schuld an sie. Petrus bekam vom Herrn zudem die Schlüssel des Reiches der Himmel (= Reich Gottes). In Apostelgeschichte 2 öffnete («löste») er den Zugang ins Reich Gottes für die Juden, in Apostelgeschichte 8 verwendete er die Schlüssel zum Aufschließen für die Samaritaner, und in Apostelgeschichte 10 ebnete er bei seinem Besuch im Haus des Kornelius den Zugang offiziell für die Heiden.
In Apostelgeschichte 8,13 lesen wir, dass sich Simon, der Zauberer, taufen liess. Kurze Zeit später wurde deutlich, dass er sich nicht wirklich bekehrt hatte. Petrus sagte ihm deshalb in Apostelgeschichte 8,20-22:
«Dein Geld fahre samt dir ins Verderben, weil du gemeint hast, dass die Gabe Gottes durch Geld zu erwerben sei! Du hast weder Teil noch Anrecht an dieser Sache, denn dein Herz ist nicht aufrichtig vor Gott. Tu nun Buße über diese deine Bosheit und bitte den Herrn, ob dir etwa der Anschlag deines Herzens vergeben werde; denn ich sehe, dass du in Galle der Bitterkeit und in Fesseln der Ungerechtigkeit bist.»
Das war auch eine praktische Anwendung des «Bindens» durch einen Apostel.
In Matthäus 18 geht es um die örtliche Gemeinde. Auch hier sprach der Herr von «binden» und «lösen». Somit gab er der örtlichen Gemeinde die richterliche Vollmacht und Verantwortung, Menschen aus der Gemeinde auszuschließen, also sie zu «binden», oder sie nach ihrer Buße und Wiederherstellung wieder aufzunehmen, sie zu «lösen».
Von diesen beiden Situationen schreibt der Apostel Paulus an die Korinther. In 1. Korinther 5 ermahnte er sie, den Menschen, der ein Hurer war, aus der Gemeinde auszuschließen: «Tut den Bösen von euch selbst hinaus.» (1. Korinther 5,13). Die Gemeinde in Korinth sollte also seine Schuld auf ihn «binden» (bis er zur völligen Umkehr käme). Im zweiten Brief schreibt Paulus ein Jahr später über diesen gleichen Menschen, der diese «Strafe von den Vielen» (den Ausschluss aus der Gemeinde) erfahren hatte, aber in der Zwischenzeit wirklich Buße getan hatte. Der Apostel ermahnte die Korinther, ihm jetzt vielmehr zu vergeben und ihm gegenüber Liebe zu üben, d.h. ihn wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufzunehmen (siehe 2. Korinther 2,5-11), ihn also zu «lösen» (d.h. ihn aufgrund seiner Buße von seiner Schuld freizusprechen, dank der Vergebung in Jesus Christus).