Vorbemerkungen
Für die Gemeinde werden im Neuen Testament verschiedene Bilder gebraucht: z.B. ist sie der „Leib des Christus“ oder das „geistliche Haus Gottes“; sie wird aber auch die „Braut des Lammes“ genannt. Die Geburtsstunde der Gemeinde war am Pfingsttag, wie das in Apostelgeschichte 2 berichtet wird. Die Gläubigen warten auf den Moment der Entrückung:
1. Thessalonicher 4,16-17: «Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein.»
Die Gemeinde der Gnadenzeit hat eine himmlische Berufung und ein himmlisches Erbe; im Gegensatz dazu steht das irdische Volk Gottes, das aus dem zukünftigen gläubigen Überrest Israels wieder entstehen wird und ein irdisches Erbe und eine irdische Berufung hat. Während der Zeit der Gnade, in der wir leben, ist Israel als Volk Gottes beiseitegesetzt:
Hosea 1,6.9: «… Und er sprach zu ihm: Gib ihr den Namen Lo-Ruchama (d.h. „Nicht-Begnadigte“); denn ich werde mich fortan nicht mehr über das Haus Israel erbarmen, dass ich ihnen irgendwie vergebe. … Und er sprach: Gib ihm den Namen Lo-Ammi (d.h. „Nicht-Mein-Volk“); denn ihr seid nicht mein Volk, und ich will nicht euer sein.»
Gott wird sich aber in der Zukunft über den Überrest Israels erbarmen, der in der Not der Großen Drangsal umkehren wird. Diese Verheißungen gab Gott schon lange vorher:
Hosea 2,1.3: «Doch die Zahl der Kinder Israel wird sein wie der Sand des Meeres, der nicht gemessen und nicht gezählt werden kann; und es wird geschehen, an dem Ort, wo zu ihnen gesagt wurde: „Ihr seid nicht mein Volk!“, wird zu ihnen gesagt werden: „Kinder des lebendigen Gottes“. … Sprecht zu euren Brüdern: „Mein Volk“, und zu euren Schwestern: „Begnadigte“.»
Die Beziehung, die Gott dann mit diesem begnadigten Volk eingehen wird, vergleicht Gott mit einer ehelichen Beziehung. Hosea schrieb etwas später dazu:
Hosea 2,21-22.25: «Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht und in Güte und in Barmherzigkeit, und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst den HERRN erkennen. … Und ich will sie mir säen im Land und will mich über Lo-Ruchama erbarmen. Und ich will zu Lo-Ammi sagen: „Du bist mein Volk“; und es wird sagen: „Mein Gott“.»
Jetzt aber zurück zur ursprünglichen Frage:
Die Antwort: Die „Braut des Christus“ ist die Gemeinde
Die Antwort möchte ich gleich vorweg geben: Im Neuen Testament bezieht sich der Ausdruck „Braut des Christus“ auf die Gemeinde und nicht auf Israel. Die Aussagen der Propheten des Alten Testaments, die von Israel als Braut und der zukünftigen Ehebeziehung sprechen, beziehen sich hingegen immer auf den zukünftigen Überrest Israels. Wie kann man das biblisch begründen?
Zunächst ist es wichtig zu prüfen, wo und in welchem Zusammenhang das Wort „Braut“ vorkommt, und wo die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde mit anderen Worten umschrieben wird, und zwar so, dass sie mit einer Liebesbeziehung wie in der Ehe verglichen wird.
Der Begriff „Braut“ kommt im Neuen Testament außer in der Offenbarung nur noch einmal im Johannesevangelium vor, wo Johannes der Täufer über Christus spricht und sagt:
Johannes 3,29: «Der die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dasteht und ihn hört, ist hocherfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude nun ist erfüllt.»
Hier die Stellen in der Offenbarung:
Offenbarung 21,2: «Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herabkommen von Gott, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut.»
Offenbarung 21,9: «Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, voll der sieben letzten Plagen, und redete mit mir und sprach: Komm her, ich will dir die Braut, die Frau des Lammes, zeigen.»
Offenbarung 22,17: «Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; wer will, nehme das Wasser des Lebens umsonst.»
Nun ist es aber auch wichtig zu schauen, wo von einem Bräutigam oder von Verlobung, von Heirat und Hochzeit gesprochen wird, und auf was oder wen sich dort diese Begriffe beziehen.
Matthäus 9.15: «Und Jesus sprach zu ihnen: Können etwa die Gefährten des Bräutigams trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, und dann werden sie fasten.»
Im Zusammenhang geht es um den Vorwurf an den Herrn, dass seine Jünger nicht fasten würden; die Begründung des Herrn ist obiger Vers, gefolgt von dem Bild vom „neuen Wein in neuen Schläuchen“. Mit anderen Worten: Mit dem christlichen Glauben und dem Beginn der christlichen Gemeinde an Pfingsten ist eine neue Ordnung gekommen, und er ist der „Bräutigam“.
Paulus beschreibt die Beziehung der Gläubigen zu Christus als eine Verlobung:
1. Korinther 11,2: «Denn ich eifere um euch mit Gottes Eifer; denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen.»
Eine der deutlichsten Passagen finden wir in Epheser 5, und zwar in den Versen 22 bis 33. Dort geht es um die Ehebeziehung, um die Unterordnung der Frau und die aufopferungsvolle Liebe des Mannes. Den gläubigen Ehefrauen sagt Paulus, dass sie sich ihren Ehemännern so als dem Haupt unterordnen sollten, wie Christus Haupt der Gemeinde sei und die Gemeinde sich Christus unterordne. Den gläubigen Ehemännern wird als Maßstab für ihre Liebe zu ihren Ehefrauen Christus vorgestellt, der die Gemeinde geliebt und sich für sie hingegeben hat. Am Ende des Abschnitts sagt Paulus, dass die schon in der Schöpfungsordnung und vor dem Sündenfall geschaffene Ehe eines Mannes mit einer Frau ein großes Geheimnis sei, und dass er das vor allem in Bezug auf Christus und seine Gemeinde sage. Christus ist also der Bräutigam und die noch nicht entrückte Gemeinde die Braut.
Darum sprachen die Propheten des Alten Testaments nie von der Gemeinde – diese war ein Geheimnis, das erst im Neuen Testament enthüllt wurde.
In der Doxologie[1], die Paulus im 1. Kapitel des Epheserbriefs aufschrieb, ist mehrfach von dem Erbe bzw. dem Erbteil für die Gemeinde die Rede, und dass sie dem Christus „zum Preis seiner Herrlichkeit“ gegeben ist. Und das Kapitel endet mit der Beschreibung, dass Gott seinen Sohn als Haupt über alle Autoritäten und Mächte gesetzt hat, und dass er „ihn als Haupt über alles der Versammlung (o. Gemeinde) gegeben“ hat, „die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (Epheser 1,20-23).
Und schließlich ist von einer Hochzeit die Rede:
Offenbarung 19,7-9: «Lasst uns fröhlich sein und frohlocken und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet. Und es wurde ihr gegeben, dass sie sich kleide in feine Leinwand, glänzend und rein; denn die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen. Und er spricht zu mir: Schreibe: Glückselig, die geladen sind zum Hochzeitsmahl des Lammes!»
Der Bräutigam ist „das Lamm“, und die Frau (die Braut) ist die Gemeinde der Heiligen. Dann gibt es noch die „Geladenen“, die nicht zur Braut gehören, aber „Freunde des Bräutigams“ sind. Damit sind z.B. die im Alten Bund verstorbenen Gläubigen gemeint.
Christus wird in den Versen, die darauf folgen, als der Richter beschrieben, der die Nationen auf der Erde mit dem scharfen zweischneidigen Schwert richtet, das aus seinem Mund hervorgeht. Seine Namen sind „treu und Wahrhaftig“ (Vers 11), dann ein nur ihm bekannter Name (Vers 12), „das Wort Gottes“ (Vers 13) und schließlich „König der Könige und Herr der Herren“ (Vers 16). Wenn Christus wiederkommt, um seine Herrschaft anzutreten und die Erde zu richten, dann kommt die Gemeinde mit ihm an seiner Seite:
1. Thessalonicher 3,13: «… damit ihr untadelig seid in Heiligkeit, vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen.»
Zusammenfassend können wir sagen:
- Die Beziehung von Christus zu der Gemeinde seit Pfingsten bis zur Entrückung beginnt mit der Bekehrung des einzelnen Gläubigen als Verlobung; Verlobung ist das gegenseitige Heiratsversprechen, um eines Tages in den Bund der Ehe einzutreten.
- Diese Liebesbeziehung war im Alten Testament ein großes und verborgenes Geheimnis, das nun enthüllt ist: Christus ist der Ehemann, die Gemeinde ist die zukünftige Ehefrau.
- Die verherrlichte Gemeinde wird einmal zusammen mit Christus als dem Haupt über alles sein Erbe teilen und mit ihm herrschen.
[1] Der Begriff Doxologie (griech. dóxa = „Ruhm, Ehre, Glanz, Herrlichkeit“ und griech. logía = Rede) bezeichnet das feierliche Ausrufen und Verkündigen des Lobpreises und der Verherrlichung Gottes, oft in Form eines Gebets. Ein weiteres Beispiel für eine Doxologie ist Römer 11,33-36.