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Die Begriffe Abendmahl und Brotbrechen
Der Begriff „das Abendmahl einnehmen“ ist gleichzusetzen mit „dem Brotbrechen“, das aus zwei einfachen Teilen besteht: Dem Brot, das auseinandergebrochen und unter den Gläubigen geteilt wird, und dem mit Wein gefüllten Kelch, aus dem die Gläubigen alle trinken. Die biblischen Ausdrücke dafür sind „das Brotbrechen“ oder „das Mahl des Herrn essen“ 1So die wenigen Stellen, an denen es – abgesehen von der Einsetzung in den Evangelien – erwähnt wird, und zwar Apostelgeschichte 20,7 und 1. Korinther 11,20.. Der Ausdruck „Abendmahl“ geht auf 1. Korinther 11,20 zurück, wo Paulus die Korinther belehrt, dass nicht jedes Zusammenkommen mit dem „Mahl des Herrn“ gleichzusetzen sei. Das griechische Wort für „Mahl“ ist hier das Hauptwort deipnon 2In Offenbarung 3,20 verwendet Johannes im Griechischen das zugehörige Tätigkeitswort deipneō; dort geht es um die persönliche Gemeinschaft Gottes mit dem einzelnen Gläubigen, bezieht sich aber nicht auf das Brotbrechen als Gemeinde.. Es bezeichnete die Hauptmahlzeit des Tages, die aufgrund der Hitze üblicherweise am Abend eingenommen wurde. Von daher kann es mit „Abendmahl“ übersetzt werden; die Übersetzer der Elberfelder Bibel haben aber bewusst mit „Mahl“ übersetzt, damit daraus nicht der Eindruck entsteht, man könne nur am Abend zum Brotbrechen zusammenkommen.
Einsetzung beim Passah – nur für jüdische Gläubige?
Die drei Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas berichten, dass der Herr Jesus die Mahlfeier im Verlauf der Passahfeier eingesetzt und angeordnet hat (Matthäus 26,26-30; Markus 14,22-26; Lukas 22,14-20). Mit anderen Worten: Die Mahlfeier war etwas Neues und ist nicht mit der Passahfeier gleichzusetzen, auch wenn der Herr diese während der Passahfeier anordnete und Elemente des Passahmahls verwendete. Er gab ihnen aber mit seinen Worten eine neue Bedeutung. Wir Christen feiern keine jüdischen Feste 3Daran ändert auch die Erwähnung des Passahs durch Paulus in 1. Korinther 5,7-8 nichts, wenn er dort sagt, dass „auch unser Passah, Christus, … geschlachtet“ worden ist und wir darum „Festfeier halten“ sollen. Er spricht dort in diesen Bildern, meint aber gerade darum nicht die buchstäbliche Umsetzung, sondern spricht von der geistlichen Bedeutung für uns, nachdem Christus das Passah erfüllt hat und somit das „Ende des Gesetzes“ geworden ist (siehe Römer 10,4)..
Die Jünger waren zu diesem Zeitpunkt Gläubige aus dem Volk Israel, und darum bezieht sich der Herr Jesus in seinen Erklärungen direkt auf die Zukunft, wenn Er das Passah mit dem gläubigen Überrest Israels im 1000-jährigen Reich feiern wird. Erst nach dem Tod, der Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn wurden die Jünger am Pfingsttag Teil des neuen Volkes Gottes, das als die Gemeinde des Christus eine himmlische Berufung hat.
Hätten wir nur diese drei Berichte in den Evangelien, dann könnten wir uns fragen, ob das Brotbrechen für uns heute überhaupt eine Bedeutung habe. Weil wir aber den 1. Korintherbrief kennen, und dort besonders die Kapitel 10 und 11, ist die Antwort ein klares Ja. Wir erfahren, dass die Zeichen von Brot und Wein für uns sehr wohl eine wichtige Rolle spielen.
Die Praxis der ersten Christen
Hinzu kommt die Praxis der ersten Christen, die zunächst täglich in den Häusern das Brot brachen. So wird in der frühen Gemeinde an vier grundlegenden Säulen des Gemeindelebens festgehalten:
Apostelgeschichte 2,42: «Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.»
Später kam es offensichtlich zu der Praxis, das Brotbrechen als Bestandteil des regelmäßigen Zusammenkommens als örtliche Gemeinde zu feiern, und zwar am Sonntag, dem ersten Wochentag, dem Tag des Herrn:
Apostelgeschichte 20,6-7: «… wir aber segelten nach den Tagen der ungesäuerten Brote von Philippi ab und kamen in fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir sieben Tage verweilten. Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen, unterredete sich Paulus mit ihnen, da er am folgenden Tag abreisen wollte.»
Warum wartete Paulus bis zum Sonntag, obwohl er es eigentlich eilig hatte, weiterzureisen? Weil er gerne mit den Gläubigen in Troas diese Gemeinschaft beim Brotbrechen erleben wollte. Das war offensichtlich mit dem Zusammenkommen als örtliche Gemeinde am Sonntag verbunden, und geschah nicht (mehr) in den Häusern und nicht irgendwann unter der Woche, auch nicht, als Paulus da war.
Der 1. Korintherbrief: Anordnungen für die örtliche christliche Gemeinde
Darum ist es nun wichtig, den 1. Korintherbrief dazu zu lesen: In diesem Brief behandelt der Apostel Paulus grundsätzliche Themen, die jede örtliche Gemeinde betreffen, und leitet daraus auch praktische und konkrete Belehrungen für das Gemeindeleben ab. Er gibt uns dabei Anweisungen weiter, die er selbst direkt von dem Herrn Jesus bekommen hat. Paulus greift also nicht auf die Berichte der drei Evangelisten zurück, sondern erklärt, dass er darüber vom Herrn selbst Offenbarungen empfangen hat. Das erwähnt er ausdrücklich in Bezug auf die Frage nach dem richtigen Verhalten in Bezug auf das Brotbrechen:
1. Korinther 11,23: «Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, dass der Herr Jesus in der Nacht, in der er überliefert wurde, Brot nahm …»
Paulus spricht hier als „berufener Apostel Christi Jesu“ (so einleitend in 1. Korinther 1,1). Was er anordnet, hat ihm der Herr persönlich mitgeteilt und ihn somit beauftragt, diese Anordnungen mit apostolischer Autorität und Verbindlichkeit den Gläubigen weiterzugeben.
Der „Tisch des Herrn“: Gemeinde als Leib des Christus
Im 10. Kapitel spricht Paulus vom Mahl des Herrn und macht uns deutlich, dass die Feier des Brotbrechens nicht zu trennen ist von der Tischgemeinschaft mit dem Herrn Jesus, vom „Tisch des Herrn“. Wer diesem Begriff und seiner Bedeutung im Alten Testament nachgeht, wird feststellen, dass es bei diesem Ausdruck um den Altar geht, auf dem Opfer gebracht werden und Gott angebetet wird (siehe Maleachi 1,7.10-12; Hebräer 13,10-16).
Wir haben als Christen keinen sichtbaren physischen Tempel, keinen buchstäblichen Altar, und wir bringen keine Tieropfer; der Gottesdienst der Christen ist geistlich (1. Petrus 2,5), der Tempel ist das geistliche Haus Gottes (1. Korinther 3,16; 2. Korinther 6,16; Epheser 2,19-22), das nur aus lebendigen Steinen, d.h. wiedergeborenen Gläubigen, gebaut ist, und wir bringen Opfer des Lobes und des Danks und beten so den Vater in Geist und Wahrheit an (siehe Johannes 4,23-24).
1. Korinther 10,14-22: «14 Darum, meine Geliebten, flieht den Götzendienst. 15 Ich rede als zu Verständigen; beurteilt ihr, was ich sage. 16 Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? 17 Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot. 18 Seht auf Israel nach dem Fleisch. Sind nicht die, welche die Schlachtopfer essen, in Gemeinschaft mit dem Altar? 19 Was sage ich nun? Dass ein Götzenopfer etwas sei, oder dass ein Götzenbild etwas sei? 20 Sondern dass das, was die Nationen opfern, sie den Dämonen opfern und nicht Gott. Ich will aber nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen. 21 Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht des Herrn Tisches teilhaftig sein und des Dämonen-Tisches. 22 Oder reizen wir den Herrn zur Eifersucht? Sind wir etwa stärker als er?»
Auch wenn wir wohl nicht mit denselben Herausforderungen kämpfen wie die Gläubigen in Korinth, die von Götzendienern umgeben und selbst früher solche gewesen waren, helfen uns doch die grundsätzlichen Aussagen. Wir erkennen wichtige Grundsätze:
- Wir haben als örtliche Gemeinde eine gemeinsame Verantwortung, denn es ist ein Mahl der Gemeinschaft – der Gemeinschaft mit dem Herrn und untereinander.
- Es geht um den „Tisch des Herrn“, oder anders ausgedrückt: Es ist Sein Tisch, wir trinken Seinen Kelch; er ist der Gastgeber.
- Diese Gemeinschaft ist exklusiv – der Herr erwartet von uns, dass eine unmissverständlich klare Grenze eingehalten wird zwischen Gläubigen, die allein zu diesem Tisch eingeladen sind, und solchen, die daran keinerlei Anrecht haben.
Einheit, Gemeinschaft und Anbetung
Diese in 1. Korinther 10 erwähnte „Gemeinschaft mit dem Altar“ kommt in ihrer geistlichen Bedeutung nur in der Gemeinde vollumfänglich zum Ausdruck. Dabei stellt Paulus eine Analogie zwischen dem Brot als Symbol des Leibes des Herrn und der vom Herrn geschaffenen Einheit der Gemeinde als Leib des Christus her. Die Gemeinde wird im 12. Kapitel mit einem Körper und den Gliedern verglichen, die aufeinander angewiesen sind und gemeinsam unter der Leitung des Hauptes stehen 4Wenn Paulus in 1. Korinther 10,17 von uns, den Gläubigen bzw. der Gemeinde als „ein Brot, ein Leib“ spricht, dann weist das auf ein anderes als das Passah-Brot hin: Am Pfingsttag, dem 50. Tag des Wochenfestes (3. Mose 23,15-21), wurde ein „neues Speisopfer“ dargebracht, nämlich „Webe-Brote“, die mit Sauerteig gebacken wurden, „als Erstlinge dem Herrn“. Sauerteig ist in der Bibel immer ein Bild des Bösen und dessen verderblicher Wirkung. Wir waren von Natur aus verdorbene Sünder, mit dem „Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit“ (1. Korinther 5,8). Das Gericht über unsere Sünde traf den Herrn Jesus am Kreuz; er hat dafür Sühnung getan und wir sind jetzt davon befreit. So zerstörte die Hitze des Ofens die Wirkung des Sauerteigs in diesen Broten. Der Pfingsttag wurde zur „Geburtsstunde“ der Gemeinde (Apostelgeschichte 2).Der Herr Jesus aber, „der Sünde nicht kannte“ (2. Korinther 5,21), beging nie eine Sünde (1. Petrus 2,22), und Sünde war nicht in ihm (1. Johannes 3,5) – darum musste das Passah mit ungesäuertem Brot gegessen werden (2. Mose 12,14-20), und auf das Vergehen dagegen stand die Todesstrafe. Und dieses Brot des Passahs nahm der Herr in die Hand und setzte es zum Zeichen seines Gedächtnisses ein mit den Worten: „Dies ist mein Leib, der für euch ist.“ Das Brotbrechen erinnert uns an seine völlige Hingabe in den Tod, und wir sind als Gemeinde „Erstlingsfrucht“ für ihn (Jesaja 53,11).
Diese Zusammenhänge setzen uns immer wieder in Staunen, und sie führen uns zur Anbetung!. So besteht dieser Leib des Christus nur aus solchen Menschen, die durch Umkehr (Buße, Bekehrung) zum persönlichen Glauben an Christus gekommen sind, und die mit der Neugeburt von Gott den Heiligen Geist bekommen haben, und damit das neue, ewige Auferstehungsleben unseres Herrn. Folglich können und dürfen wir als Gemeinschaft in gemeinsamer Verantwortung das Brotbrechen nur mit solchen feiern, die zu Seinem Leib gehören. Darum feiern wir es gemeinsam als Gemeinde, um all das zum Ausdruck zu bringen, und nennen diese Stunde am Sonntag oft auch die „Anbetungsstunde“, weil wir in Verbindung damit Gott und unserem Herrn durch Lieder und Gebete unseren Dank und unser Lob ausdrücken.
Zusammenkommen als Gemeinde
Ab dem 17. Vers in Kapitel 11 spricht Paulus über das konkrete Zusammenkommen als Gemeinde. Dabei gebraucht er verschiedene Ausdrücke: „wenn ihr nun als Versammlung zusammenkommt …“ (1. Korinther 11,18) – „wenn ihr nun an einem Ort zusammenkommt“ (1. Korinther 11,20). Gerade in diesem letzteren Beispiel wird deutlich, dass es hier nicht um private Treffen zu Hause und nicht um unverbindliche Hauskreise geht, sondern um das öffentliche Zusammenkommen, bei dem der Herr Seine besondere Gegenwart verheißen hat (siehe Matthäus 18,20 im Textzusammenhang). Hier wünscht und erwartet Er von den Gläubigen, dass sie eine bereinigte Beziehung zu Ihm pflegen und auch untereinander keine unbereinigten Konflikte haben. Die Gläubigen in Korinth musste Paulus leider mehrfach tadeln. So schreibt er ihnen:1. Korinther 11,17-22: «17 Indem ich aber dieses (d.h. was jetzt folgt) vorschreibe, lobe ich nicht, weil ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommt. 18 Denn zuerst einmal, wenn ihr als Versammlung zusammenkommt, höre ich, es seien Spaltungen unter euch, und zum Teil glaube ich es. 19 Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden. 20 Wenn ihr nun an (irgend-)einem Ort zusammenkommt, so ist das nicht des Herrn Mahl essen. 21 Denn jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist trunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, um zu essen und zu trinken? Oder verachtet ihr die Versammlung Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich nicht.»
Unordnung in der Gemeinde in Korinth
Hier wird deutlich: In der Unordnung in Korinth kam auch der richtige Gebrauch des Brotbrechens „unter die Räder“. Sie ließen Parteilichkeit zu, und es war sogar schon zu Rissen zwischen den Gläubigen gekommen („Spaltungen“), aber manche meinten trotzdem, sie könnten irgendwo beliebig das Brotbrechen feiern, ohne wegen dieser Missstände vor Gott echte Buße zu tun. Paulus nennt das Brotbrechen hier „das Mahl des Herrn“, und spricht kurz danach vom „Kelch des Herrn“: Mit anderen Worten, es ist Sein Mahl, es wird von Ihm bestimmt, und Er ist der Gastgeber. Sie haben es mit normalen Mahlzeiten vermischt, wobei krasse Unterschiede zwischen arm und reich deutlich wurden, ohne dass es sie bekümmerte. Die einen ließen sich sogar mit zu viel Alkohol gehen, andere saßen beschämt daneben und hatten nichts. Darum erklärt Paulus jetzt, um was es eigentlich ging, und was der Herr ihm persönlich zum Mahl des Herrn offenbart hatte:1. Korinther 11,23-26: «23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, dass der Herr Jesus in der Nacht, in der er überliefert wurde, Brot nahm, 24 und als er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis. 25 Ebenso auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; dies tut, sooft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.»
Vielfache Bedeutung des Brotbrechens
Bis jetzt haben wir über die mehrfache Bedeutung des Brotbrechens schon einiges gelernt:- Es ist ein Ausdruck der Einheit des Leibes des Christus; Christus ist das Haupt, seine Gemeinde ist sein Leib.
- Es ist ein Ausdruck der Gemeinschaft und gemeinsamen Verantwortung, die auf dem Tod des Christus beruht; dazu können nur Wiedergeborene gehören – Ungläubige haben damit nichts zu tun. Licht und Finsternis haben keine Gemeinschaft miteinander (siehe 2. Korinther 6,14).
- Es wird in Verbindung mit dem Tisch des Herrn genommen; in der geistlichen Anwendung ist das der Opferaltar im Tempelhaus Gottes, an dem wir Gott Anbetung darbringen.
Hier in 1. Korinther 11 kommen nun weitere wichtige Bedeutungen dazu:
- Brot und Kelch sind Symbole des Leibes und Blutes des Christus und weisen damit auf seinen «Gehorsam bis zum Tod am Kreuz» (siehe Philipper 2,8) und sein stellvertretendes Sühneopfer für uns hin.
- Das dürfen wir nie vergessen; darum bittet der Herr uns darum, das Brotbrechen als eine beständig fortdauernde Gedächtnisfeier zu praktizieren.
- Und schließlich sollen wir Seinen Tod verkündigen, d.h. sozusagen fortwährend seinen Sieg am Kreuz proklamieren, und das in der beständigen Erwartungshaltung Seines Wiederkommens.
Angesichts dieser tiefgehenden Bedeutungen muss uns klar werden, dass das Mahl des Herrn allein in der örtlichen Gemeinde als zentrales Element des Gottesdienstes praktiziert werden kann, wo diese Bedeutungen erfüllt werden können.
Gemeindezucht und Autorität vom Herrn zum „Binden“ und „Lösen“
Dazu gehört ein weiterer Punkt, der schon durch den Herrn Jesus angedeutet wird, wenn er in Matthäus 18 ab Vers 15 über den Umgang mit Sünde bei dem Bruder spricht und dann zum zweiten Mal in diesem Evangelium die Gemeinde (oder Versammlung) erwähnt; der sündigende Bruder soll möglichst überführt und zurechtgebracht werden. Wenn er sich aber dagegen sperrt, dann heißt es:
Matthäus 18,17-20: «17 Wenn er aber nicht auf sie hört, so sage es der Versammlung; wenn er aber auch auf die Versammlung nicht hört, sei er dir wie der Heide und der Zöllner. 18 Wahrlich, ich sage euch: Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein. 19 Wahrlich, wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgendeine Sache, welche sie auch erbitten mögen, so wird sie ihnen zuteil werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist. 20 Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.»
Hier spricht der Herr von der „Versammlung“ (d.h. Gemeinde) und nennt die Bedingungen: Es geht um ein „versammelt sein“ in Seinem Namen. Das bedeutet: Er ist der Mittelpunkt, Er ist das Haupt. Seine Gemeindeordnung des Neuen Testaments ist verbindlich. Wo Gläubige diese uneingeschränkt anerkennen, verheißt Er nicht nur Seine Gegenwart, sondern auch die Erhörung von Gebetsanliegen, die in Seinem Sinn vorgebracht werden. Er bestätigt sogar, dass die Entscheidungen, die eine geistlich gesinnte örtliche Gemeinde im Bewusstsein ihrer gemeinsamen Verantwortung gegenüber dem Haupt, in Abhängigkeit von Ihm und in Übereinstimmung mit seinem Willen trifft, im Himmel getroffen worden sind und jetzt von der örtlichen Gemeinde als Seine Repräsentation, Seine Stellvertretung, ausgeführt werden:
- Einen uneinsichtigen sündigenden Bruder unter Gemeindezucht und damit außerhalb der Gemeinschaft stellen (das „Binden“)
- Einen aufrichtigen und bußfertigen Gläubigen nach einer solchen Maßnahme wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen (das „Lösen“).
Diese Autorität ist nur der örtlichen Gemeinde gegeben worden. Wo das nicht praktiziert wird oder nicht praktiziert werden kann (zum Beispiel in einem Hauskreis), können Gläubige solche Verse wie Matthäus 18,19-20 nicht einfach aus dem Zusammenhang reißen und für sich in Anspruch nehmen.
Persönliche Verantwortung und Erziehung durch den Herrn
Die Korinther hatten über einen sehr beschämenden Fall von Hurerei unter ihnen nicht wirklich Leid getragen und gehandelt; so muss Paulus sie daran erinnern, dass sie Gemeindezucht üben mussten (s. 1. Korinther 5). Er bezeichnet diese Handlung als „richten“ derer, „die drinnen sind“. Auch wenn dort nicht direkt das Brotbrechen erwähnt wird, so gibt es doch eine Verbindung über die Anspielung auf Christus als „unser Passah“ und die Aufforderung, „Festfeier in Lauterkeit und Wahrheit zu halten“.
In 1. Korinther 11 schreibt Paulus nun von der persönlichen Seite der Verantwortung beim Mahl des Herrn. Dabei gibt es auch „Richten“ in doppelter Hinsicht: zum einen das persönliche Selbstgericht, und zum anderen das Richten durch den Herrn, der uns erzieht. Das Brotbrechen und die verschiedenen Arten von Gericht stehen also miteinander in Verbindung.
1. Korinther 11,27-34: «27 Wer also irgend das Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt in unwürdiger Weise, wird des Leibes und des Blutes des Herrn schuldig sein. 28 Jeder aber prüfe sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke von dem Kelch. 29 Denn wer unwürdig isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet. 30 Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein guter Teil sind entschlafen. 31 Wenn wir uns aber selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. 32 Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden. 33 Daher, meine Brüder, wenn ihr zusammenkommt, um zu essen, so wartet aufeinander. 34 Wenn jemand hungrig ist, so esse er daheim, damit ihr nicht zum Gericht zusammenkommt. Das Übrige aber will ich anordnen, sobald ich komme.»
Trotz der schmerzlich spürbaren Erziehungsmaßnahmen des Herrn hatten sie noch nicht wirklich verstanden, dass ihr Verhalten unwürdig war und sie sich schuldig machten. Sie hatten sich zu wenig die tiefen Bedeutungen der Symbole von Brot und Kelch bewusst gemacht und dadurch „den Leib nicht unterschieden“ von anderen Mahlzeiten. Das Brotbrechen ist nicht dazu da, unseren leiblichen Hunger zu stillen! Das Brotbrechen ist auch nicht dazu gedacht, uns gute Gefühle oder besondere Heilungskraft oder einen besonderen Segen zu vermitteln, sondern den Herrn Jesus in den Mittelpunkt zu stellen. Wir blicken dankbar zurück auf Sein vollbrachtes Erlösungswerk, und wir feiern das Brotbrechen in freudiger Erwartung Seines Wiederkommens.
Selbstprüfung und Selbstgericht
Sie mussten hier lernen, dass zum Brotbrechen die Selbstprüfung und damit verbunden das Selbstgericht gehörte. Das geschieht in der persönlichen Gemeinschaft unter der Woche mit dem Herrn, wo wir unser Herz von Gott prüfen lassen. Darum ist es gut, wenn wir regelmäßig wie David beten:
Psalm 139, 23-24: «Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Weg!»
Psalm 19,13-15: «Verirrungen, wer sieht sie ein? Von verborgenen Sünden reinige mich! Auch von übermütigen halte deinen Knecht zurück; lass sie mich nicht beherrschen! Dann bin ich untadelig und bin rein von großer Übertretung. Lass die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein, HERR, mein Fels und mein Erlöser!»
Beim Gericht, das wir uns selbst zuziehen, wenn wir unwürdig essen und trinken, handelt es sich nicht um eine Wiederaufnahme der Frage unserer Stellung vor Gott. Es geht nicht um die Verurteilung, die einmal die Welt (d.h. die Ungläubigen) treffen wird (siehe Vers 32), sondern darum, dass wir als Kinder Gottes „vom Herrn gezüchtigt“, d.h. von Ihm erzogen werden. Er führt uns durch seine Erziehungswege dahin, dass wir reiner und heiliger leben (siehe auch Hebräer 12,4-11).
Petrus spricht auch davon, dass die Zeit gekommen sei, „dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes“ (siehe 1. Petrus 4,17).
Zum Schluss
Manche Gläubige kennen diese biblischen Zusammenhänge und Bedeutungen des Brotbrechens noch nicht. Wenn jemand, der uns bisher nicht bekannt ist, sich unserer örtlichen Gemeinde anschließen möchte, bitten wir diese Person um Zeit und die Bereitschaft, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Das hilft der neuen Person, unsere Verantwortung und Verpflichtung als Gemeinde gegenüber dem Herrn als „Gastgeber“ anzuerkennen. Wir nutzen aktiv die Zeit des Kennenlernens, damit wir sie dann mit gutem Gewissen in die Gemeinschaft an Seinem Tisch aufnehmen können.
Ich wünsche allen Lesern, die Glieder am Leib des Christus sind, dass ihnen durch diese Gedanken Christus und Sein Erlösungswerk wieder ein Stück weit größer und herrlicher geworden ist, und dass diese Herrlichkeiten einen heiligenden Einfluss auf ihr Leben haben, um dann mit umso mehr Freude und tiefer Ergriffenheit Brot und Wein zu nehmen und Gott anzubeten. Dann lassen wir uns auch nicht durch zweitrangige Fragen ablenken, z.B. ob man nur aus einem Kelch trinken darf (auch wenn 200 Geschwister da sind) oder ob aus praktischen und hygienischen Gründen auch mehrere Kelche oder kleine Einzelkelche möglich sind, ob es Wein sein muss oder Traubensaft genutzt werden kann, usw.
Die Frage, ob wir würdig essen und trinken, hängt vor allem davon ab, ob wir in der Ehrfurcht zusammenkommen, die dem Haus Gottes und dem Erlösungswerk unseres Heilands Jesus Christus angemessen ist. Lassen wir uns von Gottes Geist unterweisen, damit diese Symbole unser Herz und unsere Anbetung auf die herrlichen Wahrheiten des Kreuzes und der Erlösung und auf die herrliche Person unseres Erlösers lenken. Dabei werden wir keine der Bedeutungen und die damit einhergehende persönliche und gemeinschaftliche Verantwortung außer Acht lassen wollen.
Andreas Kuhs, 25. November 2023
Anmerkungen
- So die wenigen Stellen, an denen es – abgesehen von der Einsetzung in den Evangelien – erwähnt wird, und zwar Apostelgeschichte 20,7 und 1. Korinther 11,20.
- In Offenbarung 3,20 verwendet Johannes im Griechischen das zugehörige Tätigkeitswort deipneō; dort geht es um die persönliche Gemeinschaft Gottes mit dem einzelnen Gläubigen, bezieht sich aber nicht auf das Brotbrechen als Gemeinde.
- Daran ändert auch die Erwähnung des Passahs durch Paulus in 1. Korinther 5,7-8 nichts, wenn er dort sagt, dass „auch unser Passah, Christus, … geschlachtet“ worden ist und wir darum „Festfeier halten“ sollen. Er spricht dort in diesen Bildern, meint aber gerade darum nicht die buchstäbliche Umsetzung, sondern spricht von der geistlichen Bedeutung für uns, nachdem Christus das Passah erfüllt hat und somit das „Ende des Gesetzes“ geworden ist (siehe Römer 10,4).
- Wenn Paulus in 1. Korinther 10,17 von uns, den Gläubigen bzw. der Gemeinde als „ein Brot, ein Leib“ spricht, dann weist das auf ein anderes als das Passah-Brot hin: Am Pfingsttag, dem 50. Tag des Wochenfestes (3. Mose 23,15-21), wurde ein „neues Speisopfer“ dargebracht, nämlich „Webe-Brote“, die mit Sauerteig gebacken wurden, „als Erstlinge dem Herrn“. Sauerteig ist in der Bibel immer ein Bild des Bösen und dessen verderblicher Wirkung. Wir waren von Natur aus verdorbene Sünder, mit dem „Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit“ (1. Korinther 5,8). Das Gericht über unsere Sünde traf den Herrn Jesus am Kreuz; er hat dafür Sühnung getan und wir sind jetzt davon befreit. So zerstörte die Hitze des Ofens die Wirkung des Sauerteigs in diesen Broten. Der Pfingsttag wurde zur „Geburtsstunde“ der Gemeinde (Apostelgeschichte 2).
Der Herr Jesus aber, „der Sünde nicht kannte“ (2. Korinther 5,21), beging nie eine Sünde (1. Petrus 2,22), und Sünde war nicht in ihm (1. Johannes 3,5) – darum musste das Passah mit ungesäuertem Brot gegessen werden (2. Mose 12,14-20), und auf das Vergehen dagegen stand die Todesstrafe. Und dieses Brot des Passahs nahm der Herr in die Hand und setzte es zum Zeichen seines Gedächtnisses ein mit den Worten: „Dies ist mein Leib, der für euch ist.“ Das Brotbrechen erinnert uns an seine völlige Hingabe in den Tod, und wir sind als Gemeinde „Erstlingsfrucht“ für ihn (Jesaja 53,11).
Diese Zusammenhänge setzen uns immer wieder in Staunen, und sie führen uns zur Anbetung!